Irland

In der keltischen Spiritualität ist die Natur und die Welt jenseits unseres Ich im Haus der Zugehörigkeit, das wir Seele nennen, enthalten. Es gibt nicht diese Trennung von Sichtbarem und Unsichtbarem, Zeit und Ewigkeit, Menschlichem und Göttlichem. Die Landschaft, aus deren Erde wir gemacht sind, war schon Zeitalter vor uns da. Diese uralte Musik der Erde, die für uns schweigend erscheint, und von der wir ein Teil sind. In Irland ist die Landschaft durchwoben von Mythen, Sagen und Legenden, – Erinnerung. Überall, wo die Erde noch Kraft hat, und nicht zerstört wurde, ist das so. Wir müssen nur zuhören. Der Mensch ist in einem Gespräch mit diesen alten Kräften, wenn er sich dessen bewußt ist, dass er nur ein Spiegel ist, in dem sich die geistigen Kräfte der Erde und des Himmels wiederfinden.

Doch auch Deine eigene geheimnisvolle Identität bedarf der Einsamkeit, um mit ihr in Berührung zu kommen. Die inneren Landschaften deiner Seele, auch Deine tiefsten Ängste, sind Dir nur in der Einsamkeit zugänglich, weil die äußere Welt zu laut ist, um sie sonst wahrzunehmen. Diese geheimnisvolle Stille, in der du die Möglichkeit hast, dich selbst zu erfahren, kann Angst machen, und dich dennoch reich beschenken. Jeder Dämon, dem du begegnest, hält auch eine kostbare Gabe für dich bereit. Es gehört durchaus Mut dazu, sich auf sich selbst einzulassen. Dies kann Veränderung in Deinem Leben mit sich bringen, – dazu musst Du bereit sein, – Dinge anders zu sehen als vorher..

Auch, den Anderen in seiner tiefen und geheimnisvollen Individualität zu erfahren, bedeutet, selbst zurück zu gehen, dem Fremden um ihn Raum zu lassen. Dies ist ein Abenteuer, doch der Mühe wert. Das störende einmal loszulassen, um sich wirklich auf eine andere Welt einzulassen. Raum und Stille sind dazu nötig, Zuhören mit allen Sinnen. Die Seele des Anderen ist ebenso heilig wie deine, und kann dir viel geben.

Die Furcht vor der Einsamkeit ist immer die Angst vor dem kosmischen Nichts. Der kosmische Schatten umbra nihili ist schlimmer als die Ungeheuer, die auf dem Grund unserer Seele lauern. Doch diese Begegnung mit der Einsamkeit dürfen wir nicht scheuen, wenn wir darunter auf das Licht unserer Seele stoßen wollen. Unter diesem kosmischen Schatten ist ein wärmendes Herdfeuer, wo wir zu Hause sind. Liebe. Ein Licht, das nie ausgeht.

In der Stille erfahren wir, dass unsere Seele auch der Widerhall einer göttlichen Gegenwart ist. Das „hören“ dieses göttlichen Echos, das Erfahren unserer ewigen Essenz, die wir in Wirklichkeit sind, bringt uns auch in einen harmonischeren Einklang mit unserem Schicksal. Die heilige Gegenwart der Seele wahrzunehmen, bedeutet, die Angst zu verlieren, denn wir werden uns bewußt, dass wir Teil von etwas Größerem sind, einer Vorsehung, die über uns wacht, auch Teil der kosmischen Liebe, die wir nur erahnen können. Ein Bruder der Einsamkeit ist die Erinnerung eben an jene göttliche Gegenwart, die wir Liebe nennen.

Gedanken aus: „Anam Cara“, John O’Donohue, dtv Verlag, und eigene Gedanken